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Von DR. HERBERT WALTER

 

Noch um die Ostertage herum schien die Welt für Deutschlands Finanzdienstleister in Ordnung. Die europäische Wertpapieraufsicht ESMA hatte gerade die groben Züge für die neue Wertpapierrichtlinie MiFID II veröffentlicht. Wer damals die entsprechende Medienberichterstattung gelesen hat, musste zu dem Schluss kommen: Ein Verbot der Finanzberatung auf Provisionsbasis wird es nicht geben.

 

Doch so einfach wird es nicht: Denn in der Zwischenzeit haben die Aufseher der ESMA die Details der Richtlinie ausgearbeitet. Das Ergebnis: Für die Provisionsberatung wird die Luft in der EU deutlich dünner. Manch einer in der Branche kommt zu dem Schluss, dass die Regulierer auf europäischer Ebene dem unter anderem in Deutschland üblichen Bezahlmodell für Finanzprodukte still und heimlich den Garaus machen möchten.

 

Die Details der Richtlinie MiFID II gehen weiter als gedacht

 

Und es stimmt: Anfangs sah es so aus, als müssten Banken, Finanzvertriebe und Versicherungen lediglich das ab 1. August geltende Gesetz zur Anlage-Honorarberatung umsetzen. Die Branche muss in Zukunft den Kunden transparent darüber Auskunft geben, ob ein Berater nur Produkte ausgewählter Finanzdienstleiter anbietet und dafür Provisionen erhält. Oder ob der Berater unabhängig ist und eine breite Palette an Finanzlösungen unterschiedlichster „Zulieferer“ offeriert.

 

MiFID II schreibt dabei auch vor, wer sich als „unabhängig“ bezeichnen darf: Nämlich nur derjenige, der beim Verkauf von Produkten vorab ein Honorar mit dem Kunden vereinbart und noch dazu keine Vergütungen von Dritten erhält.

 

Die Details der Richtlinie gehen nun deutlich weiter: Demnach dürfen etwa Banken ihren Kunden zwar sowohl Provisionsberatung als auch Honorarberatung anbieten. Sie müssen das allerdings aus zwei unterschiedlichen Abteilungen heraus tun –Trennbankenmodell einmal anders. Für die Kreditinstitute bedeutet das: Wenn sie Honorarberatung als Geschäftsmodell testen wollen, können sie das nicht mit ihrem vorhandenen Beratungspersonal aus einem Team heraus machen, sondern müssen dafür ganz neue Teams bilden und diese separat führen.

 

Wer bei der Honorarberatung zu spät kommt, den bestraft der Kunde

 

Der Ärger über den drohenden zusätzlichen Aufwand führt aber an einer Tatsache nicht vorbei: Die etablierten Finanzdienstleister in Deutschland und auch ihre politischen Interessenverbände müssen sich mit der Honorarberatung auf die ein oder andere Art und Weise anfreunden. Denn in den kommenden Jahren wird ein gänzliches Verbot der Provisionsberatung wie ein Damoklesschwert über der Branche schweben. Genau das fordert nämlich eine Mehrheit im Europäischen Parlament. Wer da zu spät kommt, den werden Regulatoren und am Ende auch die Kunden abstrafen.

 

Tatsächlich scheinen sich immer mehr Banken dem Thema zu stellen. Das zumindest ist vermehrt von hochrangigen Vertretern aus der Branche zu hören. Auch die Versicherungsvermittler beschäftigen sich mit der Honorarberatung – zu groß ist der Druck der in Aufsichtsfragen immer mächtigeren europäischen Politik. Unter anderem soll es enger gefasste Regeln für Verkaufsziele, Honorare und ähnliche Anreize geben.

 

All das geht allerdings an den Banken, Versicherungen und Finanzvertrieben nicht spurlos vorbei. Laut einer Studie des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK)  werden die neuen EU-Regelungen zur Provisionsoffenlegung und Förderung der Honorarberatung insbesondere bei kleineren Anbietern zu starken Rückgängen bei Einkommen und Vermittlerzahlen führen.

 

Honorarberatung und Provisionsberatung haben beide ihre Berechtigung

 

Bei allem Pragmatismus mit Blick auf die Honorarberatung wird es deshalb mit Sicherheit weiter Widerstand gegen die Details der ESMA-Pläne geben. Die deutsche Finanzlobby wird in den kommenden Wochen dazu Stellung nehmen.

 

So oder so werden viele traditionelle Finanzinstitute erkennen müssen: Ihre in weiten Teilen ablehnende Haltung gegenüber der Honorarberatung ist nicht mehr zeitgemäß. Richtig ist: Auch bei dieser Vergütungsform in der Finanzberatung gibt es Interessenkonflikte. Aber die Honorarberatung den Kunden gänzlich vorzuenthalten, ist mit dem Willen nach einem grundlegenden Kulturwandel und dem Credo „Der Kunde steht im Mittelpunkt“ nur schwer in Einklang zu bringen.

 

Die Provisionsberatung darf nicht von heute auf morgen abgeschafft werden. Im Gegenteil: Sie sollte sich erneuern und auch in Zukunft ihren festen Platz in der Finanzberatung haben. Aber die Beratung gegen Honorar muss  die Chance erhalten, sich zu einer echten Alternative entwickeln. Am Ende hat der Kunde die Wahl. Dieser Wettbewerb wird der Finanzberatung gut tun.

 

Dr. Herbert Walter, 60, führte von 2003 bis 2009 die Dresdner Bank und war Mitglied im Allianzvorstand. Vorher arbeitete er 20 Jahre für die Deutsche Bank, zuletzt war er dort weltweit für Privat- und Geschäftskunden verantwortlich. Heute ist Walter als selbständiger Berater und Aufsichtsrat tätig. Unternehmerisch engagiert er sich beim Finanz- & Beraterportal WhoFinance.de.

 

 

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