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von Dr. Herbert Walter – 4. Mai 2020

 

Die Folgen des Kampfes gegen die Corona-Pandemie haben dramatische Auswirkungen auf Unternehmen und auch auf die Arbeitswelt von morgen. Ein Gespräch mit Andreas Glemser (zur Person), Eigentümer und Chef der COCOMIN AG, einem gefragten Beratungs- und Coaching-Unternehmen in Stuttgart, über Chancen und Herausforderungen des Arbeitens im Homeoffice in Zeiten der Krise und danach.

 

Andreas Glemser im Interview

 

Herr Glemser, der neue Bankenpräsident Martin Zielke hat jüngst bei seiner Amtsübernahme zum Homeoffice-Thema gesagt: Die letzten Wochen haben gezeigt, was technisch heute alles geht – aber auch, wie wichtig der persönliche Kontakt ist. Werden nach der Krise die Homeoffice-Plätze wieder leer sein oder stehen wir vor einem Boom des flexiblen Arbeitens?

Das Coronavirus hat dafür gesorgt, dass wir unfreiwillig in einen Feldversuch zum mobilen Arbeiten geraten sind. Der funktioniert bisher überraschend gut. So berichten es jedenfalls Mitarbeiter und Führungskräfte meiner Kunden. Jetzt schon abschließend einzuschätzen, was künftig als normal angesehen wird, halte ich jedoch für zu ehrgeizig.

 

Wie wär’s mit einem Zwischenfazit?

Ich bin sicher, dass die Digitalisierung und damit das mobile Arbeiten durch die Corona-Krise einen nachhaltigen Schub erfahren. Aus meinen Gesprächen spüre ich aber auch, dass vielen Mitarbeitern nach wochenlanger Heimarbeit immer mehr dämmert, wie sehr sie das persönliche Miteinander im Unternehmen vermissen.

 

Zeigt die Krise nicht gerade, dass mobiles Arbeiten eine Chance verdient hat?

Der Trend zur Digitalisierung auch der Kunden- und Arbeitsprozesse ist unaufhaltsam. Die interessante Frage ist aber das „Wie“ – und damit verbunden auch die Frage nach der Geschwindigkeit des Wandels.

 

Müssen denn wirklich alle Mitarbeiter fünf Tage in der Woche ins Büro kommen?

Nicht unbedingt. Es gibt ja auch bei Banken und Versicherungen schon eine ganze Reihe von Mitarbeitern, die z.B. drei oder vier Tage im Büro arbeiten und ansonsten von Zuhause aus. Eine solche Mischung aus Homeoffice und Büro wäre ein Gesamtpaket, das sich künftig mehr Mitarbeiter wünschen könnten.

 

Hat das jetzt nicht sogar die Politik schon auf den Plan gerufen?

Wie unsere Wirtschaftsministerin in Baden-Württemberg, Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, sehe auch ich, dass im Homeoffice sehr viel Potenzial für ein flexibleres Arbeiten steckt. In der Berliner Koalition wird ja sogar daran gearbeitet, für das Arbeiten aus den eigenen vier Wänden heraus einen verlässlichen Rahmen zu schaffen.

 

Wie haben Sie denn die Umstellung auf Homeoffice bei Ihren Kunden erlebt?

Oft hieß es sehr abrupt: Ab morgen kommt Ihr bitte nicht mehr rein und arbeitet von Zuhause aus. Richtig vorbereiten konnten sich viele Filialen und Agenturen darauf nicht. Eine Führungskraft aus einer großen Sparkasse hat berichtet, dass die Online-Teammeetings per Skype anfangs nicht gut funktionierten. Viele Teilnehmer konnten mit der Technik noch nicht gut umgehen. So war am Ende des Online-Dialogs niemandem so richtig klar, wer denn was zu tun hat und bis wann.

 

Gab’s neben der Technik auch noch andere Herausforderungen beim Einstieg ins Homeoffice?

Teammitglieder einer Führungskraft aus einer Versicherung haben sich beklagt, dass keine regelmäßige Kommunikation mehr stattfand, nachdem sie ins Homeoffice gegangen sind. Es gab keine digitalen Teammeetings und für Einzelgespräche per Telefon hatte der Chef auch keine Zeit. Diese Mitarbeiter fühlten sich schlecht informiert und hatten zeitweise das Gefühl, in ihrem Homeoffice zu versauern.

 

Das ist erkennbar suboptimal. Was ist denn für einen Finanzdienstleister das Wichtigste in einer Extremsituation wie jetzt?

Wenn die durch das Coronavirus ausgelöste Krise sich länger hinzieht, werden sich immer mehr Banken, Versicherungen und andere Finanzdienstleister anstecken. Dann stehen weiter steigende Kreditausfälle und Versicherungsschäden ins Haus, oder erneute starke Kursschwankungen bei Wertpapieren. Kommt das alles auf einmal, kann das zum Systemrisiko führen. Extreme Stresssituationen und gesundheitliche Risiken für die Mitarbeiter wären die Folge.

 

Was heißt das für die Führung von Mitarbeitern?

Für mich steht fest: Wenn der persönliche Kontakt nur mehr aus der Distanz möglich ist, braucht es eine andere Art der Führung. Zuallererst muss ich mich um meine Mitarbeiter kümmern, denn die sind es ja, die den Kontakt zum Kunden möglichst reibungslos sicherstellen sollen. Der schlimmste Fehler ist, in einer Krisensituation die Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken und sie dort sich selbst zu überlassen.

 

Bei Banken, Versicherungen und anderen Finanzdienstleistern werden gerade Pläne geschmiedet, wie schrittweise zumindest Teile der Mannschaft in die Firmenräume zurückkehren können. Welche Zukunft sehen Sie für das flexiblere Arbeiten im  Homeoffice?

Der Appetit kommt beim Essen. Was ich höre, ist, dass nach dem jetzt Erlebten mehr als jeder Zweite auch in Zukunft die Chance haben will, von Zuhause aus zu arbeiten – aber nicht unbedingt an jedem Tag.  Genau das hat mir auch ein Kollege aus der Versicherungswirtschaft gerade bestätigt.

 

Die Fragen stellte Dr. Herbert Walter

 

Den zweiten Teil des Interviews mit Andreas Glemser zum Thema „Führung aus der Ferne“ lesen Sie hier.

 
 

 

 

 

Der Führungsbegleiter

 

Andreas Glemser, 55, ein gebürtiger Stuttgarter, ist seit 22 Jahren leidenschaftlicher Unternehmer. Er hat in dieser Zeit aus seiner COCOMIN AG ein renommiertes und viel gefragtes Beratungs- und Coaching-Unternehmen mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen geschaffen.

Insgesamt 60 so genannte Führungsbegleiter betreuen Kunden wie Allianz, Deutsche Bank, ERGO, Sparkassen und Genossenschaftsbanken, aber auch Unternehmen aus anderen Branchen wie Microsoft, Grohe oder Thyssen Krupp. Sie unterstützen jedes Jahr hunderte Führungskräfte bei der Einführung neuer Strategien, bei wichtigen Projekten oder anderen nicht alltäglichen Maßnahmen.

Ende 2004 überraschte der studierte Wirtschaftswissenschaftler seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Medien, als er sein Unternehmen für 100 Tage verließ, um mit seiner Frau und seinen drei Söhnen eine Weltreise zu machen.

In 2020 schaut Andreas Glemser mitten in der Krise schon über den Tellerrand hinaus. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bauen daran mit, das Unternehmen zukunftsfähig zu machen. Jeder bringt sich ein, wie da oder dort gespart werden kann und die COCOMIN AG noch attraktiver für die Kunden werden könnte. Ideen aus den Teams herauszukitzeln, ist für Andreas Glemser das A und O in der Krise.

 

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