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Von DR. HERBERT WALTER

 

Immobilienfinanzierungen gehören zum Alltagsgeschäft von Banken und Bausparkassen. Nur die wenigsten Kunden können ein Haus oder eine Wohnung komplett „aus eigener Tasche“ bezahlen. Sie müssen deshalb hohe Kredite aufnehmen, um den Kauf zu stemmen.

 

Seit jeher gilt dabei die Faustregel: Mindestens 20 Prozent des Anschaffungspreises einer Immobilie sollten vom zukünftigen Eigentümer mit eigenem Geld bezahlt werden.

 

Die seit mehreren Jahren niedrigen Zinsen sorgen jedoch offenbar dafür, dass immer mehr Deutsche deutlich unter dieser Quote liegen. Bei einer aktuellen Umfrage geben drei Viertel der WhoFinance-Berater an, dass ihre Kunden ein Haus oder eine Eigentumswohnung im Durchschnitt mit weniger als 20 Prozent eigenen Mitteln bezahlen. Bei rund 18 Prozent der Berater finanzieren die Kunden eine Immobilie sogar mit weniger als 10 Prozent Eigenkapital.

 

Ist ein hoher Anteil an Fremdkapital, das heißt ein Einsatz geringer eigener Mittel, in jedem Fall schlecht? Nicht unbedingt.

 

Lohnen kann sich ein geringer Einsatz eigenen Geldes bei einer Immobilienfinanzierung zum Beispiel aus steuerlichen Gründen. Denn die auf einen Immobilienkredit zu zahlenden Zinsen gelten als Kosten und können beim Finanzamt geltend gemacht werden – allerdings nur, wenn das entsprechende Haus oder die Wohnung nicht selbst genutzt, sondern vermietet wird.

 

Ein weiteres Beispiel, wo der Wunsch nach einem hohen Anteil an Fremdkapital häufig vorkommt: Eine junges Ehepaar mit zwei Kindern stellt fest, dass Zins und Tilgung für einen Immobilienkredit sie im Monat genauso viel kosten würde wie ihre Kaltmiete. Allerdings können Sie für den Kauf eines kleinen Reihenhauses weniger als 20 Prozent Eigenkapital einbringen. Wenn entweder der Mann, die Frau oder sogar beide sehr sichere Einkommen haben (etwa im Fall von Beamten), können sie darüber nachdenken, ein solches Risiko einzugehen.

 

Allerdings sollte die Familie mit einem Finanzberater genau durchrechnen, wie hoch ihre sonstigen Ausgaben in den kommenden Jahren sein werden, sprich: ob sie sich die monatliche Zinsbelastung nicht nur heute, sondern auch morgen leisten können. Irgendwann stehen die Kosten für die Ausbildung der Kinder an – für viele Haushalte eine nicht unerhebliche finanzielle Zusatzbelastung.

 

Die Kalkulation mit spitzem Bleistift ist umso mehr entscheidend, als dass Immobilienkredite häufig nach 10 oder 15 Jahren auslaufen. Eine Anschlussfinanzierung ist dann möglicherweise nur zu höheren Zinsen zu haben – bei den derzeit historisch niedrigen Bauzinsen ein durchaus wahrscheinliches Szenario.

 

Gerade bei einem hohen Anteil an Fremdkapital sollte man außerdem nicht darauf spekulieren, dass der Wert der Wohnung oder des Hauses in den kommenden Jahren steigen wird. Das heißt: Von möglicherweise sehr teuren Immobilien sollte man die Finger lassen. Denn sollte der Wert im Laufe der Jahre wider Erwarten sinken und man zum Verkauf gezwungen sein, schnappt die Schuldenfalle zu!

 

Nicht umsonst ist das eingebrachte Eigenkapital im Zweifel auch ein Risikopuffer, um einen möglichen Preisverfall am Immobilienmarkt zur Not abfedern zu können. Je mehr Fremdkapital man aufnimmt, desto konservativer sollte die Kalkulation bei der Immobilienfinanzierung also sein.

 

Bedenken sollte man auch: Ein Kredit wird teurer, wenn eine Immobilie mit über 80 Prozent beliehen ist, weil die Zinsbelastung höher ist. Nicht zuletzt muss man bei einer Immobilienfinanzierung nicht nur die monatliche Zinsbelastung im Blick haben, sondern auch die schrittweise Tilgung des Kredits.

 

Da die meisten Immobilienkäufer weder wie Beamte ein bombensicheres Einkommen haben noch eine extrem hohe Steuerbelastung, sollten sie die seit Jahrzehnten geltende Regel „mindestens 20 Prozent Eigenkapital“ nicht vergessen – und seien die Zinsen auch noch so niedrig.

 

Am besten man holt sich ein individuelles Angebot von einem guten Berater ein. Dieser kann neben einem Konditionsvergleich wichtige Informationen zu Risiken geben und auch über mögliche Alternativen aufklären.

 

 

Dr. Herbert Walter, 60, führte von 2003 bis 2009 die Dresdner Bank und war Mitglied im Allianzvorstand. Vorher arbeitete er 20 Jahre für die Deutsche Bank, zuletzt war er dort weltweit für Privat- und Geschäftskunden verantwortlich. Heute ist Walter als selbständiger Berater und Aufsichtsrat tätig. Unternehmerisch engagiert er sich beim Finanz- & Beraterportal WhoFinance.de.

 

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