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Ein Leitfaden für Beraterinnen und Berater – Teil 2

Künstliche Intelligenz gezielt nutzen – vom Verständnis zur Umsetzung

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Künstliche Intelligenz gezielt nutzen – vom Verständnis zur Umsetzung

Abbildung erstellt mit generativer KI

Die erste Hürde hast Du genommen: Du weißt, wie Künstliche Intelligenz funktioniert, welche Grundprinzipien dahinterstecken – und warum sie die Finanzberatung so rasant verändert. Doch jetzt beginnt der entscheidende Schritt: aus Wissen Handeln machen. Wenn Du nicht nur Orientierung, sondern echte Gestaltungskraft gewinnen willst, brauchst Du ein tieferes Verständnis für die Möglichkeiten und Grenzen der Technologie – und für die Begriffe, die in der Praxis plötzlich täglich auftauchen. 

Denn KI ist längst nicht mehr nur ein digitaler Helfer, der Texte schreibt oder Fragen beantwortet. Sie kann zu Deinem strategischen Werkzeug werden – wenn Du weißt, wie Du sie führst, absicherst und in Deine Abläufe einbaust. Genau das trennt die Beraterinnen und Berater, die KI als kurzfristigen Trend sehen, von denen, die sie als festen Bestandteil ihrer Arbeitsweise etablieren. 

Mehr als nur Fragen und Antworten – die Sprache der Profis 

Einer dieser Schlüsselbegriffe ist der „Token“. Für die meisten Nutzer unsichtbar, ist er doch die Währung der großen Sprachmodelle. Ein Token ist kein ganzes Wort, sondern oft nur ein Wortstück – im Deutschen im Schnitt drei Viertel eines Wortes. Warum das wichtig ist? Weil die Zahl der Tokens bestimmt, wie viel Kontext eine KI berücksichtigen kann. In kostenlosen oder einfachen Varianten ist diese Menge oft begrenzt – die KI vergisst also schneller den Gesprächsverlauf. 

Für Dich heißt das: Je klarer und präziser Dein Prompt, desto relevanter sind die Antworten. Ein ungenauer Prompt wie „Erzähl mir alles über Altersvorsorge“ verbraucht viele Tokens und bringt wenig Brauchbares. Ein konkreter Auftrag wie „Erstelle mir eine Übersicht zu drei steuerlich geförderten Produkten für einen 35-jährigen Kunden mit 500 € Sparrate“ spart Tokens und führt zu nutzbaren Ergebnissen. 

Ebenso entscheidend ist zu verstehen, mit welchem Modell Du arbeitest. Die bekanntesten unterscheiden sich vor allem in ihren Stärken: 

  • GPT (OpenAI): vielseitig, multimodal, ideal für den schnellen Einstieg.
  • Gemini/LaMDA (Google): eng mit der Google-Suche verknüpft – wichtig für Sichtbarkeit.
  • Llama (Meta): frei verfügbare Open-Weight-Modelle, gut für Datenschutz und interne Lösungen.
  • LAMBDA (AWS): stark für Cloud-Integration und Einbindung in bestehende Systeme.

Für Dich bedeutet das: GPT eignet sich für die ersten Tests, Google-Modelle für Content-Sichtbarkeit, Llama für Institute mit hohen Compliance-Anforderungen und AWS-Modelle für die technische Integration.
 
Und dann gibt es noch den Unterschied zwischen einem Chatbot und einem KI-Agenten. Der Chatbot bleibt im Gespräch – er liefert Antworten innerhalb eines Kanals. Ein Agent hingegen plant Schritte, greift auf Tools zu und kann Aufgabenketten erledigen – vom Termin im Kalender bis zur Notiz im CRM.
 
Der unsichtbare Regieplan – wie Du KI führst

Der System Prompt definiert unverrückbar die Rolle, Regeln und Grenzen der KI – etwa Tonalität, Compliance oder Quellen. Deine Frage, der User Prompt, wirkt immer innerhalb dieses Rahmens, kann ihn aber nie überschreiben.

In ChatGPT ist der System Prompt unsichtbar voreingestellt. Anpassen kannst Du ihn indirekt über die Funktion „Custom Instructions“ oder direkt über die API, wo Du die Rolle der KI selbst festlegst – zum Beispiel: „Antworte wie ein erfahrener Finanzberater, praxisnah und knapp.“

Damit die KI im Gespräch den roten Faden behält, kommt das „Conversation Memory“ ins Spiel – eine Art Langzeitgedächtnis. Für Dich heißt das: Deine Kunden müssen nicht jedes Detail wiederholen, und die KI kann auf vorherige Präferenzen oder bereits geklärte Fragen zurückgreifen.

Sicherheit und Qualität – die Leitplanken

Wenn Du KI in Deiner Beratung einsetzt, musst Du zwei Risiken im Blick behalten: falsche Antworten und ungewollte Regelverstöße. Gegen Halluzinationen – also erfundene, aber plausibel klingende Aussagen – helfen geprüfte Knowledge Bases.

Darüber hinaus setzen Profis sogenannte „Guardrails“ ein – Schutzmechanismen, die jede Ausgabe auf Einhaltung von Compliance, Datenschutz und Markensprache prüfen. In ChatGPT kannst Du einfache Guardrails über „Custom Instructions“ setzen – etwa: „Antworte nur auf Basis deutscher Finanzgesetze.“ Stärkere Schutzmechanismen gibt es über die API: Dort kannst Du Filter einbauen, die unerwünschte Inhalte blockieren oder nur geprüfte Textbausteine zulassen.

Für Dich in der Praxis heißt das: Schon kleine Einstellungen verhindern falsche Antworten, und mit einer professionellen Integration stellst Du sicher, dass Deine KI immer auf Compliance-Kurs bleibt.

Was das für Deinen Beratungsalltag heißt

Mit diesem erweiterten Verständnis kannst Du KI nicht nur nutzen, sondern gezielt steuern. Du kannst entscheiden, ob Du eine schnelle Antwort über ChatGPT anforderst oder ob Du ein eigenes Modell mit API-Zugang, firmeneigener Knowledge Base und Guardrails betreibst. Du kannst unterscheiden, wann ein einfacher Chatbot genügt – und wann ein Agent, der auch Aktionen ausführt, einen echten Produktivitätssprung bringt.

In der Praxis könnte das heißen: Ein Agent bereitet nicht nur Gesprächsleitfäden vor, sondern trägt Termine direkt in Deinen Kalender ein, aktualisiert Kundenakten im CRM und schlägt nächste Schritte vor. Eine Knowledge Base stellt sicher, dass alle Empfehlungen rechtlich abgesichert sind. Guardrails verhindern, dass sensible Kundendaten versehentlich ins offene Netz gelangen.

Ein Bild für die Praxis

Stell Dir Deine KI nicht mehr als einzelnen digitalen Co-Piloten vor, sondern als ganzes virtuelles Team: Ein Mitglied kennt die Regeln und spricht in Deinem Ton, ein anderes organisiert Informationen, ein drittes prüft die Einhaltung von Vorschriften, und ein viertes erledigt Handgriffe im Hintergrund. Deine Aufgabe ist es, die Rollen klar zu definieren und das Team so zu führen, dass es Dir zuarbeitet – nicht umgekehrt.

Sichtbarkeit neu denken – die Rolle von KI in der Suche

Ein weiterer Bereich mit unmittelbaren Folgen für Dich: die Integration von KI in Suchmaschinen. Google und andere Anbieter bauen generative Antworten direkt in die Ergebnisse ein. Das verändert Klickpfade und Sichtbarkeit massiv.

Wie bleibst Du sichtbar? Inhalte müssen kurz, präzise und vertrauenswürdig sein. Am besten beantwortest Du typische Kundenfragen direkt – auf Deiner Website, in Fachartikeln oder Deinem WhoFinance-Profil.

Für Dich heißt das: Wenn ein Kunde „beste Anlageformen für Berufseinsteiger“ sucht, solltest Du genau so eine Frage in einfacher Sprache beantworten. Dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Deine Inhalte nicht nur in der klassischen Suche, sondern auch in KI-generierten Antworten auftauchen.

Jetzt vom Test in den Betrieb wechseln
 
Wenn Du heute nur experimentierst, ohne Strukturen zu schaffen, wirst Du bald von Kollegen überholt, die ihre KI-Anwendungen produktiv eingebunden haben. Der Weg dorthin beginnt klein: Kuratiere Dein Wissen, definiere Guardrails, starte einen Pilot mit echten Kundenanfragen.
 
Denn in einer Welt, in der „Möglichmacher“ die reine Informationsbereitstellung ablösen, zählt nicht, ob Du KI kennst – sondern ob Du sie für Deine Kunden wirksam einsetzt. Die Technik ist bereit. Die Werkzeuge sind da. Jetzt kommt es darauf an, wie Du sie nutzt.
 

Mustafa
Autor: Mustafa Behan

Gründer und Geschäftsführer von WhoFinance