02. December 2011 von WhoFinance | Allgemein
Finanzindustrie muss Fairness-Initiative starten
Von Herbert Walter
Die Anleger haben in den vergangenen elf Jahren einiges mitgemacht. Erst platzte die Blase am Neuen Markt, dann kam die US-Immobilien-Krise mit der Lehman-Pleite und jetzt lehrt die Eurokrise die Menschen das Fürchten. Anleger haben in dieser Zeit viel Geld verloren und die Banken zudem das Vertrauen ihrer Kunden. Damit haben die Banken ihr wichtigstes Kapital im Geschäft mit den Kunden verspielt. Nur 14 Prozent der Deutschen vertrauen noch der Berufsgruppe der Finanzberater. Das hat Folgen: Immer mehr Anleger schrecken davor zurück, sich langfristig am Kapitalmarkt zu engagieren. Das ist schlecht für die Anleger, aber auch schlecht für Wirtschaft und Finanzindustrie.
Wie aber kann das verloren gegangene Vertrauen zurück erobert werden? Viele sind der Ansicht, der Staat solle das Geschäft der Banken möglichst streng regulieren und damit das Vertrauen der Verbraucher in die Finanzbranche wieder steigern. Das aber wird nicht gelingen. Vertrauen lässt sich nicht verordnen. Vertrauen ist das Resultat einer Haltung im täglichen Geschäft, nicht das Ergebnis einer Regulierungsvorschrift. Daraus folgt: Die Finanzindustrie selbst muss ihre Haltung überdenken, insbesondere ihren Umgang mit den Kunden.
Denn bislang gibt es einen offensichtlichen Interessenkonflikt im Umgang mit den Kunden. Die Finanzbranche ist am Produktverkauf interessiert. Der Kunde hingegen verlangt eine seinen Interessen dienende Beratung. Wird aber der Bankberater zum reinen Verkäufer degradiert, fallen die Belange der Kunden unter den Tisch. Es ist in erster Linie an den Kreditinstituten, diesen Interessenkonflikt auflösen. Sie sollten deshalb schnell eine eigene Fairness-Initiative starten. Nur so kann das verloren gegangene Vertrauen zurück gewonnen werden. Die Anleger müssen im wahrsten Sinne des Wortes erleben, dass sich bei den Banken und ihren Beratern Grundlegendes geändert hat.
Der Branche wird der Neuanfang nur gelingen, wenn sie die Sache selbst in die Hand nimmt und sie ihre Geschäftsmodelle glaubwürdig und transparent reformiert. Führende deutsche Häuser aus allen drei Säulen der deutschen Kreditwirtschaft haben in den vergangenen Monaten auf diversen Bankenkonferenzen ihre Initiativen vorgestellt, um die Kundenorientierung zu verbessern. Neu dabei ist: Die Zufriedenheit der Kunden und die Qualität der Beratung wurden dort als wichtige Steuerungskriterien genannt – neben Verkaufszahlen und Rendite. Dieses Vorgehen ist sicherlich ein wichtiger erster Schritt. Doch das wird mittel- bis langfristig nicht genügen. Dazu ist die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Banken und Kunden zu schwer beschädigt. Die Finanzbranche wird die jetzige Krise der Kundenbeziehungen nur überstehen, wenn sie wirklich etwas Neues bietet.
In der Pflicht zum Neustart in der Kundenbeziehung stehen vor allem die klassischen Filialinstitute. Denn die Kunden der Direktbanken setzen meist auf eigenes Wissen. Der klassische Bankkunde will aber Beratung. Und die muss sich dringend ändern. Handlungsbedarf gibt es vor allem in sechs Punkten. Die Banken und ihre Berater müssen:
- die persönliche und finanzielle Situation des Kunden umfassend aufnehmen, verstehen und beim Angebot berücksichtigen,
- im Gespräch zu einer klaren und fairen Empfehlung für den Kunden kommen, die entsprechend begründet wird,
- den Kunden ehrlich und objektiv über Chancen und Risiken des Angebots aufklären,
- für den Kunden die beste Lösung und einen individuell messbaren, fairen Nutzen erzielen,
- für Transparenz bei Kosten und Provisionen sorgen
- auch unabhängig von einem gerade anstehenden Anlass den persönlichen Kontakt zum Kunden halten und bei Bedarf aktiv auf ihn zugehen.
Der Staat kann die vorgenannten Punkte nicht verordnen. Es ist daher im ureigensten Interesse der Finanzbranche, eine Fairness-Initiative selbst umzusetzen. Entscheidend für deren Erfolg wird letztendlich sein, dass ein solch transparenter Beratungsansatz wirklich für alle Kunden angeboten wird. Gleichzeitig sollte auch eine deutliche Aufwertung des Beraterberufes diskutiert werden. Würde beispielsweise der Finanzberater auf eine Stufe mit einem Steuerberater gestellt werden, könnte die Finanzbranche dies nutzen, um eine neue Berufsethik zu schaffen.