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Jun 05

05. June 2020 von Dr. Herbert Walter | Interview

„Digital + Human: Zum Nutzen von Kunde und Berater“

Interview mit Mustafa Behan, Gründer und Geschäftsführer WhoFinance

Online- und Videoberatung ist der nächste Schritt in der digitalen Transformation der Finanzberater-Branche – und sie hilft, die Corona-Krise zu bewältigen

 

Von DR. HERBERT WALTER – 5. Juni 2020

Immer mehr Finanzberater*innen entscheiden sich, die Online- oder Videoberatung zu nutzen. Auch hier könnte dem Coronavirus die Rolle als Eisbrecher zufallen. Berater wie Kunden berichten, dass ihre Kommunikation in der Krise gut geklappt hat, nicht zuletzt dank der modernen Medien.

Wie Mustafa Behan betont, stellt sich längerfristig die Frage, wie viele Finanzberater*innen bzw. Institute künftig mit Hilfe der Online-Beratung auf bundesweiten Kundenfang gehen werden. Gar nicht so wenige „Einzelkämpfer“ sind hier mit attraktiven Zielgruppen gut im Geschäft.

Gespannt darf man auch sein, wie entschlossen und systematisch die Finanzberater-Branche ihre digitale Transformation vorantreiben wird. Dabei wird es vor allem darauf ankommen, wie sehr die digitalen Werkzeuge genutzt werden, um sie in der menschlichen Interaktion zum Nutzen von Kunde und Berater einzusetzen.

 

Digitalisierung mit WhoFinance

 

Wer den Videochat nutzt, gehört meist zu den digitalen Treibern

Herr Behan, über 270 Finanzberater*innen signalisieren auf ihrem WhoFinance-Profil, dass sie über „Skype Videochat“ erreichbar sind. Was nützt das in der Corona-Krise?

In den Zeiten der physischen Distanz ist es für Finanzberater wie Kunden schwierig, wie gewohnt miteinander zusammen zu treffen und persönlich miteinander zu reden. Daher werden seit Beginn der Corona-Krise digitale Kommunikationsmittel wie Online-Beratung und Videokonferenzen sprunghaft stärker genutzt. Auf WhoFinance nimmt die Zahl an Berater*innen, die ihren Kunden den Videochat anbieten, täglich zu. Wer sich für die Online-Beratung entscheidet, gehört in aller Regel zu denjenigen, die momentan bei der Digitalisierung die Nase vorne haben.

Es scheint also etwas dran zu sein, wenn behauptet wird, Corona sei zum Treiber der Digitalisierung geworden?

Viele haben in den schwierigen Wochen für sich persönlich plötzlich entdeckt, dass sie Geld ausgeben für Tools, etwa auf ihrem Smartphone, die sie bisher gar nicht richtig genutzt haben. Als der eine oder andere auf seinem Gerät ein wenig herum probiert hat, war er verblüfft, dass es gar keine Geheimwissenschaft ist, damit umzugehen.

Das gilt offenbar auch für viele Menschen aus der Generation 70+, die bisher mit der digitalen Bewegung nicht so viel am Hut hatten?

Ja, auch die reiferen Jahrgänge können jetzt mehr Nähe erleben mit denen, die ihnen viel bedeuten, z.B. ihren Kindern und Enkeln. Auch in meinem Umfeld erlebe ich es als sehr angenehm, dass räumliche Trennung halt etwas leichter auszuhalten ist, wenn man sich alle paar Tage einmal sieht, wenn auch nur per Facetime.

 

Kunden erleben einen Skypechat nicht so viel anders als ein persönliches Beratungsgespräch

Und jetzt sagen Sie: Was in der Familie funktioniert, das muss doch auch zwischen Finanzberatern und ihren Kunden klappen. Richtig?

In der Tat. Private Erfahrungen werden hier auf die geschäftliche Ebene übertragen. Mir ist klar, dass das nicht eins zu eins geht. So kommen geschäftlich emotionale Elemente dazu, wie die Beziehung oder das Vertrauen, die privat lange wachsen konnten. Aber mir berichten viele, Berater wie Kunden, dass sie einen Skypechat gar nicht so viel anders erleben als ein Beratungsgespräch „im realen Leben.“

Können wir darüber einmal an einem konkreten Beispiel reden?

Gerne. Vielleicht spielen wir es anhand eines Häuslebauers durch, der eine Finanzierung für sein Vorhaben braucht. Ein Interessent macht sich heutzutage erst einmal im Internet schlau, das hat sich eingespielt. Da geht’s meist um inhaltliche Themen, vielleicht schaut sich der Häuslebauer aber auch schon nach einer passenden Beraterin oder einem Berater auf einem Portal um. Will er dann mit einem Berater in Kontakt treten, ist das nur mehr ein kleiner Schritt bis zur Online-Beratung. Er muss dazu nicht einmal den Zugangsweg wechseln, sondern kann digital weitermachen.

Und wie läuft eine gute Online- oder Videoberatung dann ab?

Nehmen wir an, Berater und Kunde nehmen den Kontakt miteinander zunächst am Telefon auf. Dann kann der Berater den Kunden fragen, wie er digital erreichbar ist, z.B. über Smartphone oder Laptop. Hat der Video-Call einmal stattgefunden, ist das Eis in aller Regel gebrochen. Kunden mit einem Immobilienwunsch haben auf der Wegstrecke meist viele kleinere Punkte und Rückfragen, die sich über Videochat rasch beantworten lassen. Der Kunde kann mit dem Berater das Dokument, um das es gerade geht, auf dem Bildschirm teilen.

Das heißt, der Kunde kann dadurch schneller reagieren und es passiert ihm seltener, dass ihm ein anderer das Objekt wegschnappt?

Das kann ein Vorteil sein, keine Frage. Der Kunde ist in der Lage, sich schnell mal zwischendurch mit dem Berater abzustimmen. Er muss dafür keine Zeit für lange Wege auf sich nehmen und kann das Thema quasi nebenher erledigen. Falls der Berater neu sein sollte, lernt ihn der Kunde im persönlichen Austausch näher kennen und bekommt rasch ein Gefühl, ob beide ähnlich ticken.

 

Mit der Online-Beratung bundesweit auf eine attraktive Zielgruppe setzen

Wenn wir für einen Moment die Beraterbrille aufsetzen: Warum sollten die Beraterin oder der Berater die Online- oder Videoberatung nutzen?

Ein ganz großes Plus für den Berater ist, dass er sein Geschäftsmodell nicht lokal ausrichten muss, sondern er Kunden überregional beraten kann. Damit ist er wesentlich flexibler in der Frage, auf welche Zielgruppe er sich konzentrieren will. Auch ist sein logistischer Aufwand kleiner, so dass er mehr Termine am Tag schaffen kann. Und die emotionale Karte kann der Berater dank der heutigen modernen Technik trotz räumlicher Distanz spielen.

Vor ein paar Wochen haben Sie Ihre Berater*innen befragt, wie die Corona-Krise sich längerfristig auf ihr Geschäft auswirkt. Was sind für Sie die wichtigsten Ergebnisse?

Vorausschicken muss ich, dass wir die Umfrage an Nutzer von WhoFinance herausgeschickt haben. Das sind weit überwiegend Berater, die in der digitalen Transformation bereits gut unterwegs sind. Überrascht war ich dann aber doch, dass 9 von 10 Beratern gesagt haben, sie würden künftig noch mehr digitale Werkzeuge nutzen und 8 von 10 Beratern sind bestrebt, digital noch präsenter zu werden. Das halte ich für eine Kampfansage. Die bei WhoFinance gelisteten Berater*innen möchten es digital offenbar wissen.

 

Manche Kunden könnten sich schneller digitalisieren als ihre Berater

Sie sind über 30 Jahre Kampfsportler und als solcher wissen Sie, dass es besonders darauf ankommt, eine Herausforderung entschlossen anzunehmen, wenn man ihr nicht ausweichen kann. Was ist Ihr Rat an Finanzberaterinnen und –berater?

Das Coronavirus konfrontiert uns mit einer Situation, wie wir sie bisher nicht erlebt haben. Der Kampf gegen das Virus ist wie eine Selbstverteidigung in der Kampfkunst. Ich sage den Berater*innen immer: Passt auf, dass eure Kunden sich nicht schneller digitalisieren als ihr selbst.

Ein Augenöffner, in der Tat. Haben Sie auch einen Rat für Angreifer, die gewinnen wollen?

Wer gewinnen will, muss rasch reagieren und alles in die Waagschale werfen. Der Kampf um den Kunden wird digital entschieden und menschlich gewonnen: Es geht nicht ohne digitale Werkzeuge – es geht aber auch nicht ohne den Menschen, der Wissen und Fähigkeiten einsetzt, um damit erfolgreich zu sein.

 

Herzlichen Dank für das Gespräch.

 

 

DR. HERBERT WALTER 

Foto Dr. Herbert Walter

Dr. Herbert Walter arbeitet seit rund 40 Jahren in der Finanzbranche. Seine Laufbahn begann er 1983 in der Deutschen Bank. Dort war er zuletzt Mitglied des obersten Konzernführungsgremiums und weltweit verantwortlich für den Unternehmensbereich Private & Business Clients. 2003 wurde er Holdingvorstand der Allianz SE und Vorstandsvorsitzender der Dresdner Bank AG. Seit 2009 ist er selbständig tätig und Inhaber von Dr. Herbert Walter & Company, einer unabhängigen Beratungsfirma mit Fokus auf Finanzdienstleister.