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Jun 03

03. June 2021 von WhoFinance | Interview

“Ohne Aktien geht es nicht”

Interview mit Dr. Christian Ohswald, Leiter Privatkundengeschäft der Quirin Privatbank AG

 

Dr. Ohswald, Privatanleger haben es derzeit nicht leicht: Die Niedrigzinsen mutieren mehr und mehr zu Minuszinsen, die Inflation lässt den Wert unseres Geldes zusätzlich schrumpfen – was kann ich als Anleger dagegen tun?  

Dr. Christian Ohswald: Minuszinsen und Inflation sind in der Tat ein großes Problem. Die Realverzinsung – also die Summe von Zins und Inflation – ist schon seit 2011 negativ. Konkret bedeutet das: Haben Sie beispielsweise 100.000 Euro auf einem Sparkonto, dann ist das Geld bei einer Verzinsung von 0 Prozent und einer Inflation von 2 Prozent nach zehn Jahren nur noch 82.035 Euro wert – ein Wertverlust von sage und schreibe 18 Prozent. Das Vermögen wird schleichend und unbemerkt weniger. Unbemerkt, da der Betrag auf dem Konto unverändert bleibt, solange keine Minuszinsen anfallen. Auf dem Konto stehen auch in zehn Jahren noch 100.000 Euro, nur sind die dann deutlich weniger wert. Wer sein Vermögen indes erhalten oder vermehren möchte, kann das besonders gut an den Kapitalmärkten erreichen. Ohne Aktien geht es nicht, das ist heute zutreffender denn je.

Oft wird der Tipp, am Kapitalmarkt zu investieren, mit dem Kauf von Einzelaktien gleichgesetzt – ist es das, was Sie Anlegern raten?  

Dr. Christian Ohswald: Nein, ganz im Gegenteil. Der Kauf einzelner Aktien ist mit viel zu hohen Verlust- und Ausfallrisiken behaftet. Siehe Wirecard oder Telekom-Aktie. Beim Börsengang des Kommunikationsriesens haben sich viele Deutsche zum ersten Mal an den Aktienmarkt getraut – und sind böse auf die Nase gefallen. Wenn man sich einmal die Finger verbrannt hat, ist es schwer, die Chancen dieser Anlageklasse zu sehen. Dabei kann es ganz einfach sein, mit einer Aktienanlage an den Renditechancen der weltweiten Märkte zu partizipieren. Wichtig ist die richtige Anlagestrategie und dass man nicht einfach irgendwie investiert, sondern ein paar Anlagegrundsätze berücksichtigt.

Welche sind das denn?  

Dr. Christian Ohswald: Zuallererst sollte man verstehen, dass es nicht sinnvoll ist, das Geld in Einzeltitel zu investieren oder nach den Top-Performern Ausschau zu halten. Denn das gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Viel besser fahren Anleger, wenn sie systematisch die Renditechancen an den weltweiten Aktienmärkten einsammeln. Das geht mit einem möglichst breit aufgestellten Portfolio – und breit heißt nicht, mehrere hundert Titel, sondern besser noch mehrere tausend. Dabei sollte man auf Prognosen und Spekulationen, welche Branche oder welches Unternehmen denn der nächste Überflieger sein wird, verzichten, denn diese bewahrheiten sich selten. Gewinneraktien von heute gehören übermorgen schon zu den Verlierern. Die moderne Finanzmarktforschung bestätigt, dass niemand kontinuierlich den Markt schlagen kann! Also setzen Sie auf ihn, das lohnt sich immer.

Stichwort Telekom-Aktie: Viele Menschen haben aufgrund schlechter Erfahrungen Vorbehalte oder sie trauen sich Aktien einfach nicht zu – was raten Sie dann?  

Dr. Christian Ohswald: Diese Ängste nehmen wir ernst – und wollen sie gleichzeitig entkräften, um mehr Menschen am Wachstumspotenzial der Märkte teilhaben zu lassen. Hätte ich beispielsweise zur Geburt meines ältesten Sohnes 20.000 Euro für ihn breit gestreut an den weltweiten Märkten angelegt, wäre er zu seinem 50. Geburtstag vermutlich Millionär, ohne weiteres Zutun meinerseits, wohlgemerkt. Das ist doch enorm. Und dieses Wachstumspotenzial kennen noch immer zu wenig Anlegerinnen und Anleger in Deutschland. Um noch mehr Menschen an die Kapitalmärkte heranzuführen, haben wir gerade die Mindestanlage bei der Quirin Privatbank auf 25.000 Euro gesenkt. Und wir bieten Neukunden ein dreiteiliges kostenloses Börsen-Coaching an, um sie fit für den Kapitalmarkt zu machen. Im Gegensatz zu anderen Banken sitzen wir nicht auf unserem Wissen und machen die Kunden damit abhängig von ihrem Berater, sondern wir wollen sie aufschlauen und sie zu besseren Anlegern machen.

Ohne Aktien geht es also nicht. Aber die Börsen notieren derzeit auf Höchstständen – wenn ich als Anleger jetzt einsteige, kaufe ich doch viel zu teuer ein, oder?

Dr. Christian Ohswald: Diese Frage ist nachvollziehbar – der DAX steht bei über 15.000 Punkten, die internationalen Märkte bewegen sich auf ähnlich hohen Niveaus. Aber die Märkte sind doch kein Nullsummenspiel: Nur, weil es lange nach oben ging, muss es nicht irgendwann wieder genauso nach unten gehen. Im Gegenteil: Es gibt keine zu hohen Kurse, da die Märkte langfristig gesehen immer weiter steigen. Die Wirtschaft, die hinter all den einzelnen Aktien steht, wächst stetig. Im Umkehrschluss heißt das: Es ist immer der richtige Zeitpunkt, um in den Kapitalmarkt einzusteigen.

Wenn ich an unseren Wirtschaftsminister denke, der noch nie Aktien besessen hat, da frage ich mich: Herrscht in Deutschland eine latente Kapitalmarktfeindlichkeit?

Dr. Christian Ohswald: Ja, das ist im Vergleich zu anderen Ländern tatsächlich so. Und dass so etwas ausgerechnet ein Wirtschaftsminister sagt, ist schon bitter. Es zeigt ein systemisches Problem: Wir erleben in Medien, Bildung und Politik immer wieder eine unterschwellige Kapitalmarktfeindlichkeit. Hier hilft nur Aufklärung. Gerade die Politik sollte mit gutem Beispiel voran gehen, zur Finanzbildung der Menschen beitragen und langfristige Kapitalmarktanlagen fördern.

Aber es gibt auch positive Entwicklungen – im letzten Jahr ist die Zahl der Aktionäre gestiegen. Spüren Sie das auch und welche Anlagetrends haben Sie beobachtet? 

Dr. Christian Ohswald: Das ist tatsächlich sehr erfreulich, auch wenn wir in Sachen Aktienkultur eben noch viel Luft nach oben haben. Wir erleben vor allem, dass immer mehr Menschen auch bei der Geldanlage nachhaltig agieren wollen. Seit zwei Jahren bieten wir unsere Vermögensverwaltung „Verantwortung“ an– und die Nachfrage unserer Kundinnen und Kunden ist enorm. 80 Prozent aller neuen Mandate in 2020 waren nachhaltig – das zeigt, wie stark das Thema auf die Agenda der Kunden gerückt ist. Darüber hinaus schätzen unsere Kunden unser hybrides Geschäftsmodell. Wir haben mit quirion eine digitale Geldanlage unter einem Dach. Und es gibt immer wieder Kunden, die von der Bank zum Robo wechseln – oder andersherum. Allein der Kunde entscheidet bei uns, was er möchte – digitale Anlage, persönliche Beratung oder beides kombiniert.

Ist das für Berater nicht schwer, wenn sie Konkurrenz von einer digitalen Anlage bekommen – und dann auch noch im eigenen Haus?  

Dr. Christian Ohswald: Keine Frage, digitale Angebote wie quirion stellen Beraterinnen und Berater vor ganz neue Herausforderungen. Wir sehen das aber als große Chance: Die Kunden, denen das digitale Angebot reicht, die keinen Berater brauchen, der in stürmischen Zeiten hilft, die Nerven zu bewahren und in ruhigen Zeiten einen umfassenden Blick auf alle Anlagethemen wirft, der ist bei einem günstigeren Robo Advisor schlichtweg besser aufgehoben. Und das allein zählt für uns – was der Kunde wirklich braucht. Umgekehrt gibt es digitale Kunden, die im Laufe der Zeit merken, dass sie doch auch gerne einen persönlichen Berater hätten – und für diese Kunden sind wir genauso da. Die Anforderungen an den Berater haben sich in jedem Falle verschoben – es kommt heute nicht mehr nur aufs harte Fachwissen an, sondern vor allem darauf, den Kunden bedingungslos in den Mittelpunkt zu stellen. Übrigens wachsen wir stetig – bei Kunden und verwalteten Vermögen – und suchen deshalb auch stetig Beraternachwuchs. Vor allem Beraterinnen, die sind noch immer Mangelware – zu unserem großen Leidwesen. Die Rahmenbedingungen sind – auch durch Corona – wesentlich familienfreundlicher und flexibler geworden. Also liebe Beraterinnen und liebe Berater, zögern Sie nicht und bewerben Sie sich bei uns. Wir freuen uns auf Sie!

 

Vita Dr. Christian Ohswald

Foto: Dr. Christian Ohswald, Leiter Privatkundengeschäft der Quirin Privatbank AG

Banken und Finanzdienstleister befinden sich in einem Wandlungsprozess, der spannender kaum sein könnte. Die Zukunft zu antizipieren und mutig mitzugestalten – das ist der Anspruch von Dr. Christian Ohswald. Im März 2019 hat er deshalb die Leitung des Privatkundengeschäfts der Quirin Privatbank AG (www.quirinprivatbank.de) übernommen. Die Quirin Privatbank ist die erste Bank in Deutschland, die komplett auf Provisionen verzichtet. Vor dem gezielten Wechsel war Ohswald von 2015 bis 2019 Vorstand der Deutschen Bank Österreich, zuvor leitete er von 2003 bis 2015 das Raiffeisen Private Banking in Wien. Dr. Christian Ohswald ist verheiratet und Vater zweier Söhne. Er pendelt zwischen Berlin und seiner österreichischen Heimatstadt Wien.