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Jan 22

22. January 2024 von Dirk Wohleb | Interview

Es fehlt ein Preisschild für die Beratung

Professor Olaf Stotz von der Frankfurt School of Finance & Management plädiert dafür, dass Finanzberater ihre Beratungsleistung eindeutig ausweisen und kennzeichnen sollten. Die übliche Praxis suggeriert, dass die Beratung kostenlos sei. Doch das ist nicht der Fall. Woran das liegt, welche Alternativen es gibt und wie sich Finanzberater aufstellen sollten, erläutert der Hochschullehrer für Asset Management and Pension Economics im Interview. 

Herr Stotz, warum wird die Beratung in der Finanzindustrie nicht bezahlt?

Die Finanzbranche tut sich schwer, Beratungsleistungen zu bepreisen. Viele Anleger glauben, dass sie Beratung umsonst bekommen. Warum sollten sie für etwas bezahlen, das bisher vermeintlich umsonst war, fragen sich viele. Dabei bezahlen Anleger die Beratung indirekt über Provisionen. Die meisten Finanzberater sind der Überzeugung, dass sie keinen Preis für die Beratung erheben können.

Woran liegt das?

Insgesamt fehlt es der Branche an Qualität. Die Begriffe Vermögensberater und Finanzberater sind rechtlich nicht geschützt, wie das zum Beispiel bei Ärzten, Rechtsanwälten oder Handwerksberufen der Fall ist. Das ist ein großes Defizit der Finanzindustrie. Auch deswegen fällt es vielen Menschen schwer, die Qualität der Finanzberatung einzuschätzen. Das senkt auch die Bereitschaft, für die Beratung etwas zu bezahlen.

Was hat das für Folgen für den Beratungsprozess?

Die Beratungsleistung wird indirekt über die Produkte abgebildet. Bei Fonds über den Ausgabeaufschlag und laufende Bestandsprovisionen in Form von Kick-backs. Bei dieser Form der Provisionsberatung verlangt die Regulierung zwar, dass alle Gebühren ausgewiesen werden müssen. Aber eben nur die Kosten für die Produkte, aber nicht für die Beratung. Das Preisschild für die Beratung existiert nicht und wird versteckt. Der eigentlich wichtigste Teil der Finanzberatung erscheint kostenlos. Das ist irreführend.

Die EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness ist mit ihrer Initiative gescheitert, die Provisionsberatung zu verbieten. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

Die EU will zwar mehr Transparenz in die Finanzberatung bringen, die Finanzlobby ist aber relativ stark und vertritt ihre Interessen vehement. Ein wichtiges Scheinargument ist, dass Kleinanleger bei einer Abkehr von der Provisionsberatung nicht mehr beraten werden können. Das Argument: Honorarberatung wäre bei einem kleinen Vermögen zu teuer. Das stimmt so nicht. Schließlich lässt sich heute Beratung effizient und kostengünstig gestalten. Denken Sie nur an digitale Finanzberater, die ihre Dienstleistungen kostengünstig auch bei kleinen Vermögen anbieten. Die Gebührenstrukturen haben sich massiv verändert. Deswegen stimmt dieses Argument mit den kleinen Vermögen heute nicht mehr.

Wie kann es bei den Preisen in der Finanzindustrie zu mehr Transparenz kommen?

Transparenz bedeutet, die Beratungsleistung zu separieren und als eigenen Kostenpunkt auszuweisen. Am Markt gibt es Angebote von Fintechs, die ihrer Beratungsleistung günstig oder auch kostenlos anbieten, die sie dann mit kostengünstigeren Produkten umsetzen. Ihr Anteil wird steigen. Der Markt entwickelt sich weiter. Mit der Digitalisierung nimmt die Vergleichbarkeit von Gebühren und Finanzberatern zu. Das wird die Branche auf lange Sicht verändern. Aber auch die Kunden verhalten sich anders. Jüngere Kunden informieren sich über Vergleichsportale, wie sie das auch tun, wenn sie ein Hotel buchen. Die Transparenz wird auch in der Finanzberatung steigen.

Welche Kundengruppen legen bei ihren Finanzen viel Wert auf Information und Transparenz?

Ich denke dabei vor allem an die Generation Z und die Generation Y. Diese Gruppen sind viel kritischer als frühere Generationen. Die Menschen nutzen digitale Tools, um die Angebote von Finanzberatern zu vergleichen. Bislang ist die Provisionsberatung mehr ein Verkaufs- und Vertriebsprozess. Es geht weniger darum, die Bedürfnisse des Kunden zu erkennen. Dabei geht es doch genau darum. Ein Finanzberater muss immer den individuellen Bedarf eines Kunden analysieren und zum Beispiel seine Rentenlücke ermitteln. Erst am Ende der Beratung geht es darum, die individuellen Ziele des Kunden mit geeigneten Produkten umzusetzen. Die Branche muss umdenken. Diagnostik und Beratungsleistung sind klar zu trennen von der Medikation. Das ist wie bei einem Arzt, der erst die Diagnose erhebt und dann das Medikament auswählt.

Hat Honorarberatung eine große Zukunft in Deutschland?

Der Vergleich der Arbeit von Finanzberatern wird durch Portale und Influencer erhöht. Transparenz spielt in die Karte der Honorarberater. Langfristig wird die Honorarberatung an Bedeutung gewinnen. Ob sie eine signifikante Rolle einnehmen wird, wird sich zeigen. Honorarberatung und Provisionsberatung sind die beiden Pole. Es gibt aber auch Mischformen. Zum Beispiel eine Beratungsleistung, die in Abhängigkeit von der Höhe des Vermögens bezahlt wird. Dann könnten sich Finanzberater so positionieren, dass sie Anlageklassen durch günstige Produkte abdecken. Das ist ein Modell, das sich gut durchsetzen kann. Aus meiner Sicht ist Honorarberatung mit einem fixem Stundensatz, wie das Anwälte machen, schwer durchsetzbar.

Wie sollten sich Finanzberater jetzt aufstellen?

Sie sollten sich auf jeden Fall mit einem konsistenten Geschäftsmodell positionieren. Es führt auch kein Weg an der Digitalisierung vorbei. Ein hohes Maß an Digitalisierung mit einer entsprechenden Präsenz ist wichtig. Damit lassen sich landesweit gezielt Zielgruppen ansprechen. Ein lokaler Berater ohne Onlinepräsenz wird sich auf lange Frist schwertun. Der digitale Markt wird größer. Auch der klassische Einzelkämpfer wird in einem digitalen Umfeld auf Schwierigkeiten stoßen. Digitalisierung ist eine Kernstrategie, die sich als Einzelkämpfer kaum umsetzen lässt.

 

Vita

Professor Dr. Olaf Stotz ist seit 2008 Professor of Asset Management and Pension Economics an der Frankfurt School of Finance & Management. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Altersvorsorge, Asset Management, Behavioral Finance und empirische Finanzmarktforschung. Die Ergebnisse seiner Studien werden in wissenschaftlichen Zeitschriften und Finanzmedien publiziert, in verschiedenen Praxisprojekten finden die Erkenntnisse eine breite Anwendung.