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Feb 15

15. February 2024 von Dirk Wohleb | Interview

„KI bleibt der Treiber an den Märkten“

In diesem Jahr werden die Notenbanken die Zinsen senken. Wie stark und wie schnell ist die Frage. Aber auch Wahlen in Ländern wie USA oder Indien stehen an. Themen, die auch André Köttner beschäftigen. Er zählt zu den bekanntesten Fondsmanagern Deutschlands und verantwortet bei der DWS die Flaggschifffonds DWS Vermögensbildungsfonds I und DWS Akkumula.

Herr Köttner, die Börsen sind verhalten ins Jahr gestartet und haben dann in der zweiten Monatshälfte zugelegt. Gemeinhin gibt der erste Monat den Ton für das gesamte Jahr an. Was erwarten Sie für 2024?

André Köttner: Die letzten drei Monate des Börsenjahres 2023 waren außergewöhnlich stark. Die Aktienmärkte haben vorweggenommen, was erst für 2024 erwartet wurde. Markteilnehmer rechnen damit, dass die Zinsen mehrfach gesenkt werden, weil die Notenbanken die Zinsen zu stark angehoben und damit rezessive Tendenzen befeuert haben. Wachstumswerte profitieren sehr stark von den Zinssenkungsfantasien. Für zyklische Unternehmen bleibt das Umfeld auch 2024 schwierig. Das Softlanding ist ein Idealszenario, von dem der Markt ausgeht. Die Stimmung in zahlreichen Branchen ist aber negativ. Wie die Notenbanken die Zinsen senken, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass Anleihen wieder eine attraktive Alternative zu Aktien sind.

Das Umfeld bleibt auch 2024 von Unsicherheiten geprägt. Wie stellen Sie sich darauf ein?

André Köttner: Wir verfolgen eine Barbell-Strategie, mit der wir ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Risiko und Rendite anstreben. Zum einen setzen wir auf Aktien, die bei steigenden Aktienmärkten gut mitlaufen, wie zum Beispiel Technologiewerte, aber auch auf Unternehmen aus Basisbereichen wie Basiskonsumgüter und auf den Gesundheitssektor. Solche Unternehmen können sich auch in wirtschaftlich schwierigen Phasen in der Regel gut behaupten. Starke Markennamen können auch im schwierigen Marktumfeld ihre Preise anheben und ihre Margen steigern.

Wie geht es mit dem KI-Boom weiter: Bleibt KI das dominierende Thema an den Börsen?

André Köttner: Künstliche Intelligenz ist und bleibt der Treiber und das Thema an den Märkten. Jede Firma überlegt sich, wie sie KI einsetzen kann. Ich rechne für das laufende Jahr mit großen Fortschritten bei der Umsetzung von KI in die Praxis von Unternehmen. Viele Nachrichten werden daher positiv sein. In vielen Lebens- und Arbeitsbereichen wird KI Einzug halten. Das merke ich auch in meiner Branche: Ein britisches Start-up analysiert zum Beispiel das Verhalten von Fondsmanagern und kann dabei auch wiederkehrende Fehler entdecken. Ein weiterer riesiger Wachstumsmarkt in diesem Jahr: Spritzen und Medikamente für die Gewichtsabnahme.

In den USA, Russland und Indien, in Taiwan und Afrikas größte Volkswirtschaft Südafrika stehen 2024 Wahlen an. Spielt das bei Ihren Anlageentscheidungen eine Rolle?

André Köttner: Die wichtigste Wahl fand bereits in Taiwan statt. Der Unabhängigkeitsbefürworter Lai Ching-te hat die Präsidentenwahl gewonnen. Taiwan liefert einen Großteil der weltweiten Halbleiter und ist damit für die Weltwirtschaft von zentraler Bedeutung. Natürlich schaut die Welt auf die US-Wahlen, bei der zwei doch recht betagte Kandidaten um das Präsidentenamt kämpfen. Klar ist aber auch, dass es sich kein Präsident leisten kann, den Kapitalmarkt zu verprellen. Ich schaue mir genau an, wie die Unternehmen für unterschiedliche Wahlausgänge aufgestellt sind. Aber ganz ehrlich, die Wahlen sind nicht meine größte Sorge für 2024.

Sondern?

André Köttner: Eine starke Rezession ist meine größte Sorge und dass sich der Konflikt zwischen China und den USA weiter zuspitzen könnte. Wenn die 20 Hableiterfabriken in Taiwan die Weltwirtschaft nicht mehr beliefern können, hätte das starke negative Folgen. Dann droht eine schwere Rezession.

Emerging Markets gehörten zu den Verlierern der vergangenen Jahre. Rechnen Sie dort mit einer Trendwende?

André Köttner: Als Fondsmanager gehe ich immer vom einzelnen Unternehmen aus. Ich bereise die unterschiedlichsten Schwellenländer auf der Suche nach Investment-Möglichkeiten. Es ist allerdings recht schwer, dort wirklich gute Geschäftsmodelle zu finden. Firmen in China bauen und planen kurzfristig. Sie geben sich mit geringen Margen zufrieden und wir finden dort nur wenige Geschäftsmodelle mit einem Alleinstellungsmerkmal. Ein Unternehmen wie Google ist nicht in Sicht. Indien ist ein interessantes Land mit hohem Wirtschaftswachstum und großem Nachholpotenzial. Allerdings ist der Einfluss von Familien auf die Unternehmen groß. Das ist von außen schwer durchschaubar.

Wie sieht es aus mit Erneuerbaren Energien: Obwohl der Markt stark wächst, haben Unternehmen aus der Branche im vergangenen Jahr an der Börse stark verloren. Wie sieht es in diesem Jahr aus?

André Köttner: Der Markt wächst zwar stark, aber viele Unternehmen arbeiten nicht profitabel. Das Thema ist politisch getrieben. Unternehmen in China operieren mit geringen Margen. Viele Großprojekte bergen große Risiken. Zudem haben sich die Kosten stark erhöht, die Unternehmen nicht weitergeben können. Das belastet die Gewinne der Unternehmen.

 

Andre Köttner ist Global Head of Equity bei der DWS. Er ist seit 2013 Fondsmanager des DWS ESG Akkumula und des DWS Vermögensbildungsfonds I. Vorher war Köttner Head of Global Equities bei Union Investment Privatfonds. Zuvor absolvierte er ein Traineeprogramm im Bereich Asset Management und Research der DG Bank. Der Diplom-Mathematiker legte das Staatsexamen in Mathematik und Physik an der Justus-Liebig-Universität Gießen ab.